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Gibt es ein Ostern nach Ostern?

Die Geschichte von den Emmausjüngern ist nicht nur die längste, sondern auch die populärste Ostergeschichte. Sie hat den Lesern zu allen Zeiten den Eindruck vermittelt, daß sie nicht nur die speziellen Ostererfahrungen zweier Jünger zur Sprache bringt, sondern auch unser aller Freude und Not mit Ostern anspricht: den geheimnisvollen Weg mit dem Unbekannt-Vertrauten; das Nicht-Erkennen und die gehaltenen Augen; die Schriftauslegung, die das Herz brennen läßt; das erkennen des Herrn beim Mahl; die Gegenwart des Auferstandenen, die wir nicht festhalten können. Mehr noch: Diese Geschichte hat eine ganz eigene Prägung, die sie von anderen Ostergeschichten unterscheidet: Sie erzählt nicht nur von einer Erscheinung“ des Auferstandenen, sondern vom Wiedererkennen“ dessen, der unerkannt mit den Jüngern den Weg geht. Ohne Zweifel sollen wir den Text auch als Geschichte lesen, die von unseren immer neuen Bemühen erzählt, den Herrn, den wir erkannt und doch wieder verloren haben, neu zu entdecken. Deshalb ist auch hier nicht von den klassischen Osterzeugen“ die Rede - Petrus oder den Elf“ - sondern von zwei ansonsten nicht bekannten Jüngern. Kleopas“ heißt der eine, der Name des anderen ist nicht genannt - vielleicht ist er bewußt offengehalten, damit der Leser sich mit ihm identifizieren kann: Jede bzw. jeder von uns ist der andere“, der da mitgeht - und unser aller Ostern wird da erzählt: der Weg mit gehaltenen Augen“, das Verstehen der Schrift, das Erkennen des Herrn beim Mahl und der neue Aufbruch.

Wenn wir einmal nicht nur fragen, ob sich das damals zwischen Jerusalem und Emmaus alles auch genau so zugetragen“ habe, sondern die besondere Intention der Erzählung aufnehmen, erschließt sie sich uns auf neue Weise. Vor allem wird deutlich, daß die Geschichte eine Frage vor Augen hat, die mit den Jahren in den frühchristlichen Gemeinden aufkommt: Ist die Erfahrung des Auferstandenen auf die ersten Zeugen beschränkt? Können Christen der späteren Zeit nur das Bekenntnis der Osterzeugen nachsprechen? Oder gibt es auch für sie eine österliche Begegnung mit dem Auferstandenen? Die Überschrift hat es paradox formuliert: Gibt es ein Ostern nach Ostern?

Lesen wir die Emmausgeschichte auf dem Hintergrund dieser Frage, dann wird ihre Intention noch deutlicher. Sie möchte jenen Christen, für die Ostern schon vierzig, fünfzig oder mehr Jahre zurückliegt, erschließen, wo ihr Ostern bereitsteht“. Sie verweist auf die verborgene Gegenwart des Herrn, der unsere Wege mitgeht und den wir, selbst wenn unsere Augen gehalten sind, als Unbekannt-Vertrauten wahrnehmen. Sie zeigt, daß der, der sich mit all seinen Fragen der Schrift anvertraut, dem Herrn begegnet. Und sie verweist hintergründig auf das urchristliche Mahl, das am Abend, wenn der Tag sich geneigt hat“, abgehalten wird. Dem damaligen Leser wird vor Augen gehalten, daß dort, wo Christen zusammenkommen, der Herr anwesend ist. Am Brechen des Brotes wird er zu allen Zeiten erkannt. Freilich - auch dies stellt die Emmausgeschichte heraus - kann ihn auch die christliche Mahlfeier nicht festhalten: Er zeigt sich, entschwindet und schickt so die Jünger wieder neu auf den Weg. Sie können sich nicht in Emmaus etablieren und meinen, daß der Herr nun für alle Zeiten mit ihnen ist. Sie verlieren ihn wieder, werden wieder neu auf den Weg geschickt, um ihn zu suchen und sich von ihm finden zu lassen.

Das ist die Botschaft der Emmausgeschichte: Zwei Jünger treten mit leeren Händen in die Geschichte ein und sie treten mit leeren Händen wieder aus der Geschichte heraus - dennoch hat sich alles für sie verändert. Das ist das Ostern nach Ostern - unser Ostern!

Prof. Claus-Peter März, Theologische Fakultät Erfurt