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Was steht ihr und schaut zum Himmel

Viele Fragen stellen sich im Hinblick auf eine Ostererzählung, die ein wenig aus dem Rahmen fällt: die Himmelfahrtsgeschichte. Nur Lukas erzählt sie, und er erzählt sie dann auch gleich zweimal: einmal als Abschluß des Lukasevangeliums (Lk 24,50-53) und das andere Mal als Eröffnung der Apostelgeschichte (Apg 1,1-11). Die anderen Evangelisten verweisen zwar auf Oster-erscheinungen - von einer "Himmelfahrt" Jesu sprechen sie nicht. Viele heutige Leser haben gerade mit dieser Geschichte ihre Schwierigkeiten. Sie fragen, ob die ganze Szenerie nicht doch zu sehr dem Denken vergangener Zeiten entspringt. Manche empfinden die Vorstellung einer "Himmelfahrt" eher als etwas Schmerzliches: als Abschied Jesu, als Entschwinden in eine ferne, unerreichbare Welt. Ein modernes Himmelfahrtsbild war provokativ mit der Frage überschrieben: "Sind wir nun allein gelassen?" In einem Buch fand ich bei der Himmelfahrtsgeschichte den Titel: "Nun ist Ostern wirklich zu Ende - bis zum Ende!"

Solche Fragen werden auch dem Lukas nicht fremd gewesen sein. Warum aber erzählt er dann diese Geschichte? Und noch mehr: Was will er seinen Lesern mit dieser Geschichte eröffnen?

Für die ersten Leser des Lukas brachte die Geschichte offenbar weniger Probleme mit sich als für uns. Sie greift nämlich auf eine damals übliche Erzählweise zurück. Denn "Entrückungsgeschichten" wurden in der alten Welt nicht selten erzählt: so etwa von Elia und von Mose bei den Juden, von Helden und Heroen bei den Griechen, von Feldherrn und Kaisern bei den Römern. Eine solche Geschichte auch von Jesus zu erzählen, lag gerade für einen in der griechischen Denkweise aufgewachsenen Christen wie Lukas durchaus nahe: Wenn man von Kaisern und Königen erzählt, daß sie bei ihrem Begräbnis von den Göttern in den Himmel aufgenommen wurden, dann werden die, die den einzig wahren Gott verehren, dies erst recht von Jesus erzählen müssen, denn ihn hat er aus dem Tod ins Leben gerufen und zu seiner Rechten erhöht. Von Anfang an bekennt sich die frühe Kirche dazu, daß Gott Jesus zu seiner Rechten erhöht habe. Diese Erhöhung Jesu will Lukas nicht nur bekennen - er will sie auch erzählen, und zwar in der Erzählweise seiner Zeit - als Aufnahme Jesu in den Himmel.

Er möchte seinen Lesern freilich mit dieser Geschichte auch ein besonderes Signal geben. Er will ihnen vor Augen halten, daß Ostern für sie durchaus eine Zäsur gebracht hat. Jesus ist nicht mehr in der Weise "irdisch" gegenwärtig und mit den Seinen verbunden wie zuvor: Er geht ihnen nicht mehr voran, er hält nicht mehr Tag für Tag mit ihnen Tischgemeinschaft, er sagt dem Volk nicht mehr leibhaftig das Wort Gottes. Nun stehen die Jünger für den Meister: Nun sollen sie mit seinem Geist und in seinem Namen zu den Völkern gehen und das Werk weiterführen, das er begonnen hat. Ein neuer Abschnitt auf dem Weg der Heilsgeschichte hat begonnen, auf dem das "Zeugnis" der Jünger gefragt ist (Apg 1,6-8). Man könnte die Himmelfahrtsgeschichte deshalb eine Geschichte nennen, die die Jünger zur "Mündigkeit" aufruft. Sie sollen nicht "nach oben" schauen, dem Herrn nachschauen, über seinen Weggang trauern. Sie sollen sich auf den Weg machen, damit das Wort Gottes "läuft".

Liest man die Geschichte in dieser Weise, dann zielt sie nicht nur auf die Gemeinde des Lukas, sondern spricht Grundfragen an, die die Kirche zu allen Zeiten bewegen.

Prof. Claus-Peter März, Theologische Fakultät Erfurt