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Grüßt niemanden unterwegs

Die Missionsanweisung im Lukas-Evangelium 10,3f wirkt heute überspitzt, rigoristisch und wirklichkeitsfremd. Denn Jesus sagt seinen Jüngern nicht nur, daß sie Widerstände, Abwehr und sogar Feindschaft zu erwarten haben. Er eröffnet ihnen auch nicht nur, daß sie als die Schwächeren in diese Auseinandersetzung gehen und sich wie "Schafe inmitten von Wölfen" empfinden werden. Er verlangt von seinen Boten erheblich mehr - und dort beginnt für manchen heutigen Leser das Problem:

Da sendet Jesus 72 Jünger zur Mission aus, verbietet ihnen aber alle durchaus vernünftigen Vorkehrungen. Sie dürfen keinen Proviant mitnehmen; jeder finanzielle Rückhalt, selbst das geringste Zehrgeld ist ihnen untersagt. Ohne Schuhe schickt er sie los und untersagt ihnen jede Kontaktaufnahme auf dem Weg - selbst das Grüßen sollen sie unterlassen.

Im Klartext heißt das: Jesus will, daß seine Boten bettelarm sind. Und auch das ist deutlich: Diese Art der Aussendung entspringt nicht einfach einer wirtschaftlichen Notlage, in der sich der Jüngerkreis befindet. Nein, nicht die Umstände machen die Jünger bettelarm, es ist Jesus selbst, der ihnen alles aus der Hand nimmt.

Schauen wir ein wenig genauer auf die Hintergründe dieser Anweisung, dann erkennen wir, daß sie nicht aus einem weltfremden Rigorismus entspringt, sondern durchaus Methode hat. Jesus will, daß die Boten auf die Menschen, denen sie verkündigen, angewiesen sind. Sein Auftrag nötigt den Missionar dazu, mit denen, denen er die Botschaft bringt, auch das Leben zu teilen. Er muß sich einlassen auf die, denen er verkündigt, und sie müssen ihn einlassen in ihr Haus und in ihr Leben. Er bringt diesem Haus die Botschaft des Friedens, und im Miteinander des gemeinsamen Lebens können die Bewohner des Hauses mit dem Boten diesen Frieden erproben. Deshalb sind die Boten bettelarm zur Mission ausgesandt.

Sie dürfen nicht gesichert "von oben herab" kommen, sondern müssen auf die Menschen angewiesen sein - und sie dürfen sich diesem Miteinander des gemeinsamen Lebens nicht entziehen. Denn nur so kann der Friede auf einem Haus ruhen und das alltägliche Leben schon zum Erfahrungsraum der Vollendung werden. Deshalb untersagt Jesus alles Reden, das nicht durch Leben belegt ist - selbst das Grüßen auf dem Weg.

Eine Kirche, für die es um "Mission", "Evangelisierung" oder "Neuevangelisierung" geht, wird gut daran tun, diese Anweisungen zu bedenken. Auch heute werden die Boten sich aufs Spiel setzen müssen. Sie werden sich einlassen müssen auf das Leben derer, denen sie die Botschaft des Friedens bringen wollen - und sie werden mit ihnen im Teilen des Lebens der Wirklichkeit dieses Friedens nachspüren müssen.

Prof. Claus-Peter März, Theologische Fakultät Erfurt