Domkapitular em. Ulrich Lieb ist verstorben

Ulrich Lieb wurde am 12. August 1944 als Sohn des Schlossermeisters Kurt Lieb und seiner Ehefrau Annemarie geb. Gottwald als erstes von vier Kindern in Waldenburg (Schlesien) geboren. Nach der Vertrei-bung aus der schlesischen Heimat im Jahr 1947 ließ sich die Familie nach einem kurzen Zwischenauf-enthalt in Schönebeck (Elbe) in Halle (Saale) nieder. Dort hat sie sich sehr schnell in der Propsteigemeinde beheimatet und gehörte bald zu ihren tragenden Stützen. Neben seinen gläubigen Eltern erlebte Ulrich Lieb hier geistvolle und anregende Seelsorger, gute Freunde und Weggefährten und schließlich auch das Vorbild einiger, die sich von Gott besonders angesprochen fühlten und auf den Weg gemacht hatten, Priester zu werden oder einer anderen geistlichen Berufung zu folgen. Ein Netzwerk von Familienkreisen – gegründet durch Vikar Hugo Aufderbeck, dem späteren Erfurter Bischof – lebte vor, was Christsein und Kirche bedeuten. Besonders geprägt hat ihn auch der damalige Propst Dr. Johannes Langsch, ein eifriger und liturgisch versierter Seelsorger, aber auch intellektueller Perfektionist und Ästhet. Ihm war sogar, obwohl er zwei Vikare hatte, die Ministrantenausbildung und selbst die Sprecherziehung von Lektoren und Predigern ein persönliches Anliegen. Sehr früh engagierte sich Ulrich Lieb als Ministrant und Jugendhelfer. Von 1950 bis 1958 besuchte er die Grundschule, Nach Abschluss der Mittelschule begann er 1960 eine Berufsausbildung als Betonbauer, mit der zugleich die Vorbereitung auf das Abitur verbunden war. Im Sommer 1963 legte er die Reifeprüfung ab und arbeitete ein Jahr lang in dem erlernten Beruf in der Farbenfabrik Wolfen.

Von 1964 bis 1965 absolvierte er den Sprachenkurs in Halle, mit dem er sich auf das anschließende Theologiestudium am Philosophisch-Theologischen Studien- und Priesterseminar in Erfurt vorbereitete. Die pastoral-praktische Ausbildung erfolgte im Priesterseminar auf der Huysburg.

Am 26. Juni 1971 weihte Bischof Johannes Braun ihn zusammen mit noch einem anderen Mitbruder in Halle (Saale) zum Priester. Seinen Dienst begann er danach zunächst als Vikar in der Dessauer Propsteipfarrei St. Peter und Paul. Fünf Jahre später wurde er Vikar in der Pfarrei St. Marien in Schö-nebeck und wirkte zugleich als Studentenseelsorger in der Magdeburger Studentengemeinde. Im Jahr 1983 schickte ihn Bischof Johannes Braun als Studentenpfarrer nach Halle. Von dort aus betreute er zugleich die Pfarrvikarie Wettin. Schon als Studentenseelsorger trieb ihn die Frage um, wie Kirche über ihre Grenzen hinaus ins Gespräch mit den Menschen dieser Welt treten kann. Er pflegte deshalb viele Kontakte zu ökumenischen Partnern und in die Gesellschaft hinein.

Im Jahr 1986 wurde Ulrich Lieb mit der Seelsorge für Magdeburg-Neu Olvenstedt und Nordwest und gleichzeitig als Vikar der Propsteipfarrei St. Sebastian beauftragt. 1988 ernannte ihn Bischof Johannes Braun zum Pfarrer der Pfarrei St. Marien in Schönebeck. In dieser Aufgabe begleitete er die Pfarrei durch die Wendezeit. In ökumenischer Gemeinsamkeit und im Kontakt zu verschiedenen gesellschaftlichen Akteuren hat er sich klug und mutig für die notwendigen Veränderungen eingesetzt, unter anderem am Runden Tisch des Kreises. Nachdem er selbst eine Alkoholerkrankung überwunden hatte, wirkte er ab 1992 in der Suchtkrankenseelsorge des heutigen Bistums mit. Ab 1996 war er zusätzlich Dechant für das Dekanat Magdeburg.

Aktiv arbeitete er im von Bischof Leo Nowak im Jahr 2000 ins Leben gerufenen Pastoralen Zukunftsgespräch mit. Auch hier ging es ihm darum, wie das Wirken der Kirche des Bistums in Magdeburg so ge-staltet werden kann, dass es für die Menschen dieser Gesellschaft fruchtbar wird.

Da ich – wie Ulrich Lieb – aus derselben Gemeinde sowie deren engagierter Familienkreis-Tradition stamme und auch schon bei seiner Primiz ministriert hatte, waren er es und Andreas Eisenmann, der ebenfalls zu unserer halleschen Vergangenheit gehörte, die mich 1999 bei der Feier meiner Bischofswei-he als Vertreter des Presbyteriums nach vorn begleiteten und gewissermaßen unterstützten. 2005, als ich in der Nachfolge von Bischof Leo Nowak dann noch mehr Verantwortung für unser Bistum zu übernehmen hatte, war ich dankbar, Ulrich Lieb bewegen zu können, die Leitung des – wie es früher hieß – Seelsorgeamtes oder der Hauptabteilung Pastoral im Bischöflichen Ordinariat Magdeburg zu übernehmen und als Ordinariatsrat mitzuwirken. Zugleich wurde er auch noch residierendes Mitglied des Kathedralkapitels. Soweit es seine dienstlichen Verpflichtungen zuließen, feierte er als Subsidiar in der Kathedralpfar-rei St. Sebastian auch manche Gottesdienste. Zugleich nahm er die Aufgabe des stellvertretenden Generalvikars wahr. Dass im Zuge der Reorganisation des Bischöflichen Ordinariats Magdeburg im Jahr 2009 aus der Hauptabteilung Pastoral der Fachbereich Pastoral in Kirche und Gesellschaft wurde, war ganz in seinem Sinne.

Altersbedingt wurde er auf eigenen Wunsch im Jahr 2014 in den Ruhestand versetzt. In aller Freiheit eines Pensionärs übernahm Ulrich Lieb gern auch weiterhin priesterliche Dienste in verschiedenen Gemeinden des Bistums. Auch im Priesterrat hat er sich als Vertreter der Pensionäre fast bis zuletzt aktiv eingebracht.

Mit großer Freude und Dankbarkeit beging er 2021 unter Corona-Bedingungen sein Goldenes Priester-weihejubiläum und feierte am 17. August 2024 noch seinen 80. Geburtstag im Kreise vieler Wegbegleiter und -begleiterinnen. Zu diesem Zeitpunkt wusste er bereits von seiner schweren Krebserkrankung. In voller Klarheit hat er sich gegen eine Chemotherapie entschieden und die letzten Wochen im Hospiz der Pfeifferschen Stiftungen in Magdeburg gelebt. Dort hat er am 8. November sein Leben in die Hände seines Schöpfers zurückgelegt.

Ulrich Lieb hat die Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft zeitlebens sowohl interessiert und kritisch verfolgt als auch engagiert und geistvoll mitgestaltet. Die große Zahl der Gäste seines letzten Geburtstages hat noch einmal eindrucksvoll gezeigt, wie kommunikativ und anregend, verbindend und beliebt er war, eifrig und überzeugend in seinem Dienst. Zudem zeichnete ihn ein großer Humor aus, wobei er sich auch selbst gehörig „auf den Arm nehmen“ konnte.

Der barmherzige Gott vergelte ihm das Gute, das er für die Menschen in unserem Bistum und darüber hinaus geleistet hat. Er erfülle seine Sehnsucht nach vollendetem Leben in seinem Reich.

Das Requiem für unseren verstorbenen Mitbruder feiern wir am Montag, dem 18. November 2024, um 10:30 Uhr in der Kathedralkirche St. Sebastian. Die Beerdigung findet anschließend auf dem Kathed-ralfriedhof statt. Priester und Diakone sind eingeladen, das Requiem und die Beerdigung in Chorkleidung mitzufeiern.

Wir wollen unseres verstorbenen Mitbruders im Gebet und bei der Eucharistiefeier gedenken.

 

Magdeburg, den 11. November 2024

Dr. Gerhard Feige
Bischof