Flüchtlingshilfe als Ausdruck der Menschenfreundlichkeit

Anja Schlender vom Bistum Magdeburg hat vorab mit Bischof Gerhard Feige und der Migrationsbeauftragten des Bistums Magdeburg, Monika Schwenke, gesprochen.

Herr Bischof Feige: Wie kam es damals zur Idee eines Flüchtlingsfonds?

Bischof Feige: Schon seit 1997 gibt es in Magdeburg einen Verein namens „refugium“ für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, der inzwischen zum Caritasverband des Bistums gehört. Dass das Schicksal der Flüchtlinge uns nicht unberührt lässt, zeigt auch das „Interkulturelle Beratungs- und Begegnungszentrum“, das ungefähr genauso lange von uns in Magdeburg betrieben wird. Da ist es fast selbstverständlich, dass 2014 noch diese weitere Initiative hinzukam – und das bereits ein Jahr vor den großen Flüchtlingsströmen nach Europa.

 

Unser Anliegen war es, an solchen Stellen einzuspringen, wo keine staatliche Unterstützung möglich ist und damit auch gesellschaftliche Verantwortung mit zu übernehmen. Von Anfang an standen wir dabei in Verbindung mit dem Innenministerium von Sachsen-Anhalt, der Integrationsbeauftragten und dem Landesnetzwerk Migrantenselbstorganisation.

Neben unserer Stiftung „netzwerk leben“, die sich um Menschen in schwierigen Situationen vor und nach der Geburt eines Kindes kümmert, und unserer „Partnerschaftsaktion Ost“, die Hilfen für Osteuropa koordiniert, ist dieser Fonds gewissermaßen ein drittes größeres Beispiel dafür, als Bistum nicht nur um sich selbst zu kreisen, sondern auch für andere segensreich zu sein.

Zunächst hatten wir den Fonds von Seiten des Bistums mit einer Summe von 60.000 Euro ausgestattet und die Zusage einiger Sponsoren, diesen Betrag beträchtlich aufzustocken. Außerdem habe ich dazu aufgerufen, diese Initiative durch die Beteiligung vieler mit ihren Spenden zu einem eindrucksvollen Gemeinschaftswerk werden zu lassen. Seitdem findet in jedem Jahr an einem bestimmten Sonntag eine Sonderkollekte statt, und es wird immer wieder zu Spenden aufgerufen.

Ist die Flüchtlingshilfe Ihr persönliches Projekt?

Bischof Feige: Ja, es liegt mir schon sehr am Herzen, aber auch anderen. Zudem sehe ich darin einen wesentlichen Ausdruck für unser Christsein und die Menschenfreundlichkeit, ohne die unsere Gesellschaft verkümmern und verkommen würde.

Spenden Sie auch privat?

Bischof Feige: Das ist für mich fast eine intime Frage. Mir liegt der Slogan „Tue Gutes, und rede darüber“ eigentlich gar nicht. Darum nur so viel: Selbstverständlich engagiere ich mich auch selbst, sonst käme ich mir mit meinen Aufrufen sehr sonderbar vor.

Mittlerweise hat sich der gesellschaftliche Blick auf Geflüchtete mancherorts verschoben – selbst in christlichen Kontexten hört man Kritik. Wie gehen Sie damit um?

Bischof Feige: Zum einen versuche ich sachlich aufzuklären, wo die Ursachen der Fluchtbewegungen liegen, welche Klischees und Falschdarstellungen es zu dieser Problematik gibt, worin unser christliches Menschenbild besteht und welche Möglichkeiten – persönlich und gesellschaftlich – wir durchaus haben, helfen zu können, ohne dadurch maßlos überfordert zu sein.

Zum anderen empfehle ich, einmal in direkten Kontakt mit Geflüchteten zu treten und gewissermaßen „von Mensch zu Mensch“ Erfahrungen zu machen. Dazu fällt mir immer wieder die Geschichte aus den Erzählungen der Chassidim ein, in der ein Rabbi seine Jünger fragt, wie man die Stunde bestimmt, in der die Nacht endet und der Tag beginnt. Nach einigen für ihn unbefriedigenden Antwortversuchen lautet dann seine Antwort: „Es ist, wenn du in das Gesicht irgendeines Menschen blicken kannst und darin deine Schwester oder deinen Bruder siehst. Bis dahin ist die Nacht noch bei uns.“

Frau Schwenke, Sie haben das Projekt „Flüchtlingshilfe Sachsen-Anhalt“ in den vergangenen zehn Jahren aufgebaut und vorangetrieben…

Monika Schwenke: Ja, aus Gesprächen mit der Landesregierung und der Katholischen Kirche und der sich bereits 2013 anbahnenden Flüchtlingskrise aufgrund des Krieges in Syrien und anderer Kriegs- und Krisengebiete erwuchs der Gedanke, dass die Katholische Kirche im Bistum Magdeburg einen Spendenfonds initiieren könnte, der auch durch staatliche und gesellschaftliche Akteure unterstützt wird, um Geflüchtete in prekären finanziellen Situationen, unter anderem bei der Familienzusammenführung und Identitätsklärung zu unterstützen.

 

Aufgrund meines langjährigen Engagements unter anderem im Flüchtlingsbereich hatte ich die Möglichkeit, begonnen bei der Ideengebung, über die Ausgestaltung einer bischöflichen Vergaberichtlinie und eines angemessenen Antrags- und Bewilligungsverfahrens, der Etablierung eines Vergabebeirats bis zur heutigen Administration aktiv und gestalterisch mitwirken zu können.

Der Spendenfonds speist sich ausschließlich über Spenden aus der Gesellschaft und aus persönlichen Spenden. Dass wir es gemeinsam geschafft haben, in den zehn Jahren immer wieder Spenden einzuwerben und auf verschiedene Flüchtlingsschicksale aufmerksam zu machen, das freut mich ganz besonders.

Welches Schicksal hat sie am meisten bewegt?

Monika Schwenke: Ich kann nicht ein Schicksal besonders benennen. Es sind so viele individuelle Schicksale. Aber jedes Jahr haben wir eine Begegnung zwischen Spendenempfängern und dem Bischof organisiert. Dabei erzählten Geflüchtete über ihre persönlichen Schicksale, wobei auch immer die Trennung der Familien, die psychischen und physischen Herausforderungen  von Flucht, Ankommen im fremden Land und die sprachlichen, beruflichen und gesellschaftlichen Integrationsanforderungen einen großen Raum einnahmen. Nicht selten flossen auch Tränen.

Besonders berührt war und bin ich, wenn ich sehe, wie die Kinder sich an ihre wieder vereinten Eltern schmiegen und ihre Augen strahlen und die Eltern wieder Hoffnung auf ein besseres Leben schöpfen. Die Hilfe durch den Spendenfonds ist somit ganz klar auch ein Motor und eine Stabilisierung für die Integration in die deutsche Gesellschaft, weil wir Familien stabilisieren.

Wie sichern Sie ab, dass die Hilfe wirklich benötigt wird?

Monika Schwenke: Um prüfen zu können, ob die Antragsteller sich in einer prekären finanziellen Situation befinden und nicht aus eigener Kraft die Familienzusammenführung oder die Beschaffung von Reisepässen bzw. Passersatzpapieren realisieren können, gibt es Antragsformulare, die auch die eigene finanzielle Situation nachweislich erfassen. Dies bedeutet, dass man auch Nachweise zu staatlichen Sozialleistungen beibringen muss.

Bis zu 500 € Antragssumme entscheidet die Caritas. Darüber hinaus ein Vergabebeirat. Damit das Spendenaufkommen nicht zu schnell abfließt, werden hauptsächlich Teilbewilligungen vorgenommen.

Unterstützung bei der Antragsstellung erhalten Hilfesuchende über die Migrationsberatungsstellen im Land. Anträge kommen aus unterschiedlichen Regionen des Bistums.

So versuchen wir, gerecht und nachweisbar mit den Spendengeldern umzugehen. Begründete Ablehnungen von Anträgen gibt es auch. Zum Schluss bedarf es immer auch eines Grundvertrauens in das Anliegen der Hilfesuchenden und der Motivation zur Nächstenliebe. 

Wie gehen Sie mit Anfeindungen um?

Monika Schwenke: Sachlich und ruhig. Sind es kritische GesprächspartnerInnen, versuche ich Fakten und Erfahrungen in den Kontext der alltäglichen Flüchtlings- und Integrationspolitik einzuordnen und zu erläutern. Ich nehme Kritiker grundsätzlich ernst, denn auch in diesem Engagementfeld gibt es kein Weiß und kein Schwarz, nicht nur die optimalen Integrationsbiografien und nicht nur die gescheiterte Integration. Das muss man immer klar benennen, an Beispielen festmachen und dabei das eigene christliche Menschenbild nie aus dem Auge verlieren.

Feige finde ich anonyme Anfeindungen, meistens per Post. Das kann man dann auch schon als persönliche Bedrohung empfinden. Aber es schüchtert mich nicht ein, eher stärkt es mein Engagement!

Vielen Dank!

Mitwirkende: Magdeburger Dombläser unter Leitung von Anne Schumann • Rossini Quartett unter der Leitung von Marco Reiss 
• Grit Wagner (Gesang mit instrumentaler Begleitung) • Kirchenband Di 9 unter Leitung von Matthias Hucke • Oliver Teacher Band

Um Anmeldung bis 10. September wird gebeten unter: barbara.dittmann@caritas-magdeburg.de

Hinweis: Das Konzert findet zudem in Würdigung des tagesaktuellen 25-jährigen Bischofsweihejubiläums von Bischofs Dr. Gerhard Feige statt. Der offizielle Fest-Gottesdienst zum Weihe-Jubiläum von Bischof Feige findet am 14.9.2024 statt.

Weitere Informationen: https://www.bistum-magdeburg.de/einrichtungen-pfarreien/fluechtlingshilfe