„Gott ist ein Freund des Lebens“

Von Bischof Dr. Gerhard Feige

„Was hat eigentlich der katholische Bischof von Magdeburg mit Frauenheilkunde und Geburtshilfe zu tun? Das ist gar nicht so schwer zu beantworten. Zum einen hatte er eine Mutter, die ab und zu den Frauenarzt aufsuchte, und außerdem wurde er selbst einmal geboren. Beides betraf das St. Barbara-Krankenhaus in Halle, in dem auch Elisabeth-Schwestern wirkten. Dabei kam ich sogar an einem 19. November – dem Gedenktag der heiligen Elisabeth – zur Welt und sollte nach dem Wunsch der Schwestern auch so heißen. Meine Mutter hätte sich durchaus darauf eingelassen, doch die Voraussetzungen dazu waren bei mir nicht gegeben.

Zum anderen habe ich eine Nichte, die als leidenschaftliche Land-Hebamme im Ost-Erzgebirge wirkt und mir ab und zu von ihren Erfahrungen berichtet. Außerdem treffe ich mich jährlich mit den Schwangerschaftsberaterinnen und einem -berater unserer Caritas, um zu hören, welche Probleme und Entwicklungen sie wahrnehmen. Und schließlich werde ich seit einigen Jahren gelegentlich angefragt, ob ich mich an der Finanzierung einer anonymen Geburt beteiligen kann. Da es mir und der von Bischof Leo Nowak gegründeten Stiftung Netzwerk Leben ein wichtiges Anliegen ist, Menschen in Schwierigkeiten vor und nach der Geburt eines Kindes zu unterstützen, bin ich dankbar, über einen Sozialfonds zu verfügen und dazu etwas beitragen zu können.

„Gott ist ein Freund des Lebens“

„Gott ist ein Freund des Lebens.“ Das ist für mich und uns als Kirche eine Maxime. Und so verstehen wir Christen und Christinnen auch unseren Einsatz im Bereich von Krankenhäusern und Kliniken nicht als „eine Art Wohlfahrtsaktivität, die man auch anderen überlassen könnte“, sondern als einen „unverzichtbaren Wesensausdruck“ unserer Berufung und Sendung. Darum freue ich mich, dass dies sowohl in der Frauenheilkunde als auch in der Geburtshilfe des St. Marienstiftes schon seit Jahrzehnten auf hohem Niveau und mit beeindruckender Menschlichkeit verwirklicht wird.

Mein aufrichtiger und herzlicher Dank gilt allen, die bisher dazu beigetragen haben und auch heute dazu beitragen. Erst vor einigen Tagen hat sogar das Fernsehen des MDR in der Sendung „Sachsen-Anhalt heute“ im Hinblick auf hebammengeführte Kreißsäle anerkennend und lobend darüber berichtet. In ähnlicher Weise kam dabei auch das hallesche Krankenhaus St. Elisabeth und St. Barbara zur Sprache. Selbst wenn wir als katholische Kirche hierzulande nur eine kleine Minderheit sind, zeigt das doch, wie schöpferisch und hilfreich wir sein können.

Neben diesem praktischen Engagement ist es uns aber auch ein wichtiges Anliegen, unsere Wertvorstellungen in die aktuellen bioethischen Debatten einzubringen. Mit großer Sorge nehmen wir wahr, dass in Fragen des Lebensschutzes die Grundprinzipien unserer staatlichen Rechtsordnung möglicherweise noch weiter verschoben werden. Darum haben wir Bischöfe – in erstaunlicher Übereinstimmung mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken und dem Deutschen Caritasverband – dazu erklärt: „Das Recht auf Selbstbestimmung ist in … unserer Gesellschaft ein hohes Gut. … auch aus der Perspektive eines christlichen Menschenbildes. … Deshalb ist es uns wichtig, die Frauen in ihrer individuellen Situation des Schwangerschaftskonfliktes achtsam wahrzunehmen … und ihr Selbstbestimmungsrecht nicht in ungebührlicher Weise einzuschränken.“ Zugleich ist es „jedoch unverzichtbar, … auch die Würde des noch nicht geborenen, aber bereits gezeugten und sich als Mensch entwickelnden Kindes im Mutterleib im Blick zu behalten.“ Das Dilemma, dass sich in dieser Frage „fundamentale Rechtspositionen zweier Menschen konflikthaft gegenüberstehen“, die doch eigentlich – wie das Bundesverfassungsgericht es ausgedrückt hat – eine „Zweiheit in Einheit“ bilden, lässt sich – unserer Meinung nach – nicht dadurch auflösen, „dass man dem ungeborenen Kind entweder seine Würde teilweise oder sogar ganz abspricht oder aber sein Lebensrecht abstuft und gerade seine völlige Angewiesenheit auf die Mutter und seine Schutzbedürftigkeit als Grund dafür heranzieht, ihm weniger oder gar keinen Lebensschutz zuzuerkennen“. Auch wenn schon die derzeit geltende Reglung – ein mühsam errungener Kompromiss – in vielem nicht unserer Überzeugung entspricht, plädieren wir doch entschieden dafür, daran nicht noch weitere Abschwächungen vorzunehmen.

Jedes Leben ist schützenswert

Aus ethischer Perspektive können wir jedenfalls eine Abtreibung „nicht gutheißen“, und schon gar nicht „als eine Normalität menschlichen Lebens akzeptieren.“ Dabei unterscheidet uns freilich von jenen, die gelegentlich dieses Thema gewissermaßen als „christliches Feigenblatt“ vor sich hertragen, dass es ihnen nicht wie uns um jedes ungeborene menschliche Wesen – egal, ob gesund oder krank, mit oder ohne Behinderung, einheimisch oder ausländisch – geht, sondern lediglich – nationalistisch und rassistisch denkend – um eine Regenerierung des deutschen Volkes.

Die unbedingte Achtung vor der von Gott verliehenen Würde eines jeden Menschen und die Ehrfurcht vor der Heiligkeit des Lebens ist eine bleibende persönliche wie gesellschaftliche Herausforderung. Ihr gilt es, sich immer wieder tatkräftig und liebevoll zu stellen! Dazu gehört aber auch, den Schutz und die Rahmenbedingungen für schwangere Frauen so zu verbessern, dass – soweit möglich – Schwangerschaftskonflikte vermieden oder wenigstens entschärft werden können: durch eine verpflichtende Beratung und freiwillige Hilfsangebote.

„Gott ist ein Freund des Lebens.“ Davon sind wir als Christen und Christinnen überzeugt und motiviert. In diesem Sinn wünsche ich dem St. Marienstift mit all seinen Verantwortlichen und Mitarbeitenden, denen, die hier Hilfe oder Heilung suchen, und denen, die es auf vielfältige Weise unterstützen, weiterhin eine gute Entwicklung, viel Erfolg und Gottes reichen Segen.“