Auf der Empore in der Herz-Jesu-Kirche in Weimar saß immer ein Mann, der in der DDR-Zeit 5,- Mark in den Klingelbeutel gab. Er war ein Unternehmer und alle wussten, dass er diese damals sehr bemerkenswerte Summe gab. Als Ministranten wussten wir es auch und so war es immer ein besonderer Gang bei der Kollekte, auf die Empore zu gehen. Das sind nun mindestens schon 50 Jahre her und ich weiß es immer noch – sogar den Namen des Spenders.
Es ist sonst nicht üblich, jemandem beim Spenden zuzusehen Anders ist es, wenn jemand eine Spendenquittung wünscht. Dann kenne ich den Spender und die Summe. Es ist sonst üblich, dass die Linke nicht weiß, was die Rechte tut, denn wir hoffen, dass die geheime Gabe und bei Gott Lohn und Anerkennung bringt, weil sie ja Ausdruck unserer Liebe zu Gott und dem Nächsten sein will. Mit Gott können wir nicht handeln, sondern wir antworten mit unserer Gabe auf seine Liebe. Die Gnade Gottes soll in dem Werk der Nächstenliebe einen sichtbaren Ausdruck finden.
Nun beobachtet Jesus aber die Reichen und die arme Witwe im Tempel am Opferkasten. Was bemerkenswert ist, dass Jesus auch einschätzen kann, ob es eine reichliche Gabe aus dem Überfluss oder eine kleine Gabe aus der Armut heraus ist. Vermutlich würden wir der armen Witwe sagen, dass es nicht nötig ist, sich so zu verausgaben. Aber das wäre die falsche Reaktion, denn für die arme Witwe war es ein Zeichen ihres Gottvertrauens. Da ist dann jegliches Rechnen unangebracht.
Jesus lässt an den Schriftgelehrten kein gutes Haar. Er unterstellt ihnen grundsätzlich Scheinheiligkeit und Raffsucht. Er kennt auch das Urteil Gottes über ihre Taten. Alle, die in der Kirche einen Ehrenplatz zugewiesen bekommen, müssen sich aufgrund dieses Wortes Jesu fragen, ob sie wirklich an diesem Ehrenplatz sitzen dürfen und inwieweit ihr zugewiesener Posten auch von ihrem Leben abgedeckt wird. Heute in Deutschland und in der katholischen Kirche über diese Frage zu sprechen, ist immer heikel, denn es kann sein, das einem selbst vorgeworfen werden kann, Unrecht getan zu haben. Wichtig ist dann immer, die Argumente sachlich zu bewerten.
Was jedoch als zentrale Aussage dem Evangelium entnommen werden kann, ist die Frage nach dem Außen und Innen von Kirche. Wir feiern den Gottesdienst in einem renovierten Kirchenraum. Wir können heute vier neue Glocken weihen. Alles hat seinen Preis. Wir ahnen damit aber auch, in welchem Raum wir sitzen und was den Erbauern dieser Kirchen und den heutigen Gläubigen von Holungen der Gottesdienst und das Gotteslob wert gewesen ist. Sicherlich spielt immer auch die Lust eine Rolle, den anderen zu übertrumpfen. Vielleicht müssen unsere Glocken größer sein als die der Nachbargemeinde – vielleicht wurde dieses Thema auch im Kirchenvorstand oder Kirchortrat angesprochen. Und dennoch dürfen wir behaupten, dass sich hier auch der Wunsch zeigt, Gott für den Glauben und den Schutz vor allem Bösen zu danken.
Die Lesung aus dem 1. Buch der Könige ermutigt dazu, bei der Nächstenliebe nicht zu sehr zu rechnen. Elija bitte die Witwe von Sarepta um ein Gebäck und Wasser. Sie hatte bisher kalkuliert, dass ihre Essensvorräte nur noch für eine Mahlzeit für sich und ihren Sohn reichen. Dann werden beide den Hungertod sterben. Elija durchkreuzt diesen Plan mit der Zusage des reichen Segens Gottes, der dann auch eintritt. Es ist außerdem ein Segen außerhalb Israels, der in der Predigt Jesu in Nazareth ausdrücklich erwähnt wird und die Zuhörer erbost hat. Es wird den Zuhörern in Nazareth mitgeteilt, dass diese Tat der Witwe im Gottvertrauen aufgrund des Wortes des Propheten mehr Segen gebracht hat als alle Erfüllung des Gesetzes in Israel. Das Gottvertrauen der beiden Witwen von Sarepta und Jerusalem ist beispielhaft und beschämt alle, die vor Gott rechnen, wenn sie gute Taten vollbringen.
Der Hebräerbrief beschreibt die Hingabebereitschaft Jesu zur Sühne für unsere Sünden. Wiederum werden wir daran erinnert, dass wir allen Grund haben, vor Gott dankbar zu sein. Natürlich wird es nur derjenige schätzen, der auch Vergebung seiner Sünden erbittet. Wer sich ohne Schuld fühlt, der braucht den Erlöser nicht. Hier wird uns dann die Szene zur Korrektur im Denken führen, die Jesus und die Frau zeigt, die wegen des Ehebruchs durch Jesus verurteilt werden soll und wo Jesus antwortet: „Wer ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Alle sind weggegangen und Jesus spricht die Frau frei von ihrer Schuld, aber ermahnt sie auch, ihre Lebensführung zu ändern.
Selbstloses Gottvertrauen ist bis heute beeindruckend. Wir erleben es in der Öffentlichkeit, wenn Gelübde abgelegt oder Weihen vollzogen werden. Ich weiß aber auch von den vielen stillen Helfern in den Gemeinden, die Zeit und Geld opfern, um das Gemeindeleben mit zu gestalten. Vielleicht begegnen wir ihnen bei der Dankesfeier für die Ehrenamtlichen.
Vielleicht möchten sie aber auch selbst dort nicht in Erscheinung treten. Es gibt die stillen Spender bei den Hilfsaktionen, zu denen in den Kirchen eingeladen wird. Sicherlich könnte man eine Vielzahl von Personen nennen, auf die das Attribut „Gottvertrauen“ passt. In jedem Fall muss das Gottvertrauen wachsen können. Aus welchem Grund die beiden Witwen von Sarepta und Jerusalem Gottvertrauen hatten, können wir nur mutmaßen. Die Witwe von Sarepta war vermutlich vom Propheten Elija sehr beeindruckt und spürte in seinen Worten die kräftige Zusage Gottes. Von der Witwe in Jerusalem wissen wir nur, dass sie eine fromme Frau war, die in den Tempel gegangen ist, um zu beten. Ob sie Kinder hatte, wissen wir nicht, auch wenn bildliche Darstellungen dieser Szene die Witwe gern mit Kleinkindern zeigen. Dass ihre Lebenssituation schon aufgrund der Witwenschaft problematisch ist, ist eigentlich klar, denn damals war eine Witwe rechtlos. Daher muss ihr Gottvertrauen eine starke Motivation gehabt haben. Das ist erstaunlich und bewunderungswert.
Was ist mir der Glaube und die Gemeinschaft in der Kirche wert? Begegnungen mit Mitmenschen machen mich nachdenklich. Mich bewegt seit langem die Aussage eines ungetauften Vaters, der bei der Geburt seines dritten Kindes sagte: „Mit welchem recht habe ich drei gesunde Kinder?“ Diese Frage war für ihn der Anlass, sich taufen zu lassen. Eine Frau, die als Erwachsene getauft wurde, ringt tagtäglich mit ihren ungetauften großen Kindern, inwieweit in der Wohnung christliche Symbole sein dürfen. Als einmal alle Dinge verschwunden waren und die Mutter die Kinder zur Rede stellte, sagten sie: „Wir wollen das alles nicht. Es muss verschwinden!“ Daraufhin sagte die Mutter: „Aber ich bin noch da!“
Auch das Ringen um Bewahrung der Schöpfung hat mit dem Gottvertrauen zu tun, dass Menschen sich bekehren lassen und über Veränderungen im Lebensstil nachdenken wollen, und dass es Wissenschaftler gibt, die Wege suchen, um Klimakatastrophen zu verhindern. Natürlich kann man immer auch sagen: „Ich verlasse mich auf meinen gesunden Menschenverstand!“ Dieser kann durchaus aber auch Verletzungen erfahren, die man nur mit göttlicher Kraft heilen kann.
Heute wäre es mein Gebet und meine Bitte für alle Menschen: Habt Vertrauen in die Sorge und Hilfe, die Gott uns anbietet. Dann wird das Leben leichter. Amen.
Lesungen: 1 Kön 17, 10-16; Hebr 9, 24-28; Mk 12, 38-44