Nicht aufdringlich, sondern einladend

Heute (28. November) fand in Birkungen der jährliche Zentrale Ökumenische Polizeigottesdienst statt. In dem wurde der in diesem Jahr noch im Dienstalter verstorbenen Polizistinnen und Polizisten gedacht. Thüringens Innenminister Georg Maier verlas deren Namen; für jede(n von ihnen wurde eine Kerze entzündet.
Außerdem wurde in diesem Gottesdienst Karl-Josef Wagenführ nach 25jährigem Dienst als Landespolizeipfarrer verabschiedet. 

Meine sehr verehrten, lieben Damen und Herren,  
lieber Mitbruder Pfarrer Wagenführ,
es freut mich sehr, dass so viele Polizeibedienstete zu diesem Gottesdienst gekommen sind, um Ihnen für Ihren langjährigen Dienst als Polizeiseelsorger „Danke“ zu sagen. Sie haben längst das Ruhestandsalter erreicht, aber erst im siebzigsten Lebensjahr darum gebeten, von Ihren Ämtern entpflichtet zu werden.

Am 21. Januar 1955, also vor bald siebzig Jahren, wurden Sie in Martinfeld geboren und sind in diesem schönen Eichsfelddorf auch aufgewachsen. Sie durften die Erweiterte Oberschule (EOS) in Heiligenstadt besuchen und wohnten vier Jahre im Bischöflichen Konvikt, dem heutigen Marcel-Callo-Haus. 1973 wurden Sie als Priesteramtskandidat angenommen und 1980 im Erfurter Mariendom durch Bischof Hugo Aufderbeck zum Priester geweiht. Zunächst waren Sie in Heiligenstadt und Worbis in der Pfarrseelsorge eingesetzt, aber auch nach Ihrer Ernennung zum Polizeiseelsorger im Bistum Erfurt am 1. April 1999 sind Sie immer in der Gemeindeseelsorge tätig geblieben. Bis heute feiern Sie Gottesdienste in Birkungen und in der Pfarrei Leinefelde.

Am 1. Januar 2001 wurden Sie zum Katholischen Landespolizeipfarrer im Freistaat Thüringen berufen. Da Sie über 25 Jahre hinweg den Ethik-Unterricht in der Polizeischule gehalten haben, kennen Sie alle Polizistinnen und Polizisten in Thüringen und alle kennen Sie. Dass die Polizistinnen und die Polizisten und die Verantwortlichen bei der Polizei Ihnen für Ihren Dienst dankbar sind, sieht man bei der heutigen Feier. Im Abschnitt aus dem Matthäus-Evangelium, den wir eben gehört haben, und der zu Beginn der berühmten Bergpredigt Jesu steht, ruft Jesus denen, die zu ihm gehören, zu: „Ihr seid das Licht der Welt“ (Mt 5,14). Das haben viele Polizistinnen und Polizisten bei Ihnen, lieber Herr Pfarrer Wagenführ, erfahren.

Im Ethikunterricht haben Sie wesentliche Orientierungshilfen gegeben. Sie haben Anregungen gegebenen, über den Dienst bei der Polizei nachzudenken und sich an ethischen Grundsätzen zu orientieren. Es ist ja eine hohe ethische Herausforderung, im Auftrag des Staates auch Gewalt ausüben zu können und zu müssen.
Mit vielen pädagogisch hervorragenden Methoden haben Sie zur Reflexion des Verhaltens angeregt. Sie haben mir einmal die Ausstellung mit Fotografien gezeigt, die Polizistinnen und Polizisten zu intensiven Gesprächen und zu intensivem Nachdenken über das eigene Verhalten anregen. Viele sind  Ihnen dafür sehr dankbar.

Auch als Bischof bin ich Ihnen für diese Arbeit sehr dankbar. Denn als Kirche verstehen wir unseren Dienst an der  Gesellschaft auch darin, zur Reflexion anzuregen und das eigene Verhalten sowie die eigenen Einstellungen zu spiegeln und sich nicht von Gefühlen oder von der Mehrheitsmeinung leiten zu lassen. Danke, dass Sie durch Ihre Tätigkeit im Ethikunterricht dazu angeregt haben.

Darüber hinaus sind Sie als Notfallseelsorger häufig auch von Polizistinnen und Polizisten direkt gerufen worden, weil sie wussten und erfahren hatten, in extrem kritischen Situationen sind Sie als Mensch und Seelsorger da und können auch in schlimmsten Lebenslagen ein kleines Hoffnungslicht entzünden. Durch Ihren Dienst als Notfallseelsorger haben Sie nicht nur die Rettungskräfte entlastet, sondern auch den Betroffenen menschlichen und seelsorgerlichen Beistand gegebenen und ihnen geholfen, die Situation zu ertragen.

Als Landespolizeipfarrer waren Sie auch der Pfarrer der Polizistinnen und Polizisten in Deutschland. Viele haben sich an Sie gewandt, nicht nur in frohen Anlässen wie Taufen oder Trauungen, sondern auch in dunkeln Stunden. Sie wussten, dass sie zu Ihnen kommen können und dass Sie ein Wort haben, dass ihnen ein Hoffnungslicht gibt. Dass dabei die Zugehörigkeit zu einer Religion oder zu einer Kirche keine Rolle spielt, ist für einen Vollblut-Seelsorger eine pure Selbstverständlichkeit. So haben Sie auch zum Beispiel die Einladung angenommen, bei einer zivilen Trauung Trauzeuge zu sein. Die Standesbeamtin, die aus den Unterlagen sehen konnte, dass Sie Pfarrer sind, hat Sie zum Ende der standesamtlichen Trauung gebeten, einen Segen zu spenden. Auch das haben Sie selbstverständlich gerne und bewegend gemacht.

Lieber Herr Pfarrer Wagenführ, ich danke Ihnen für dieses beeindruckende priesterliche Glaubens- und Lebenszeugnis. Sie haben Ihr Licht tatsächlich nicht unter den Scheffel gestellt, sondern es den Menschen angeboten — nicht aufdringlich, sondern einladend.
Nun wünschen wir Ihnen noch eine lange Zeit des Ruhestandes, den Sie sicher nicht ohne priesterliche Aufgaben verbringen werden. Möge dies Ihre Gesundheit zulassen. Von Herzen danke ich Ihnen und erbitte Ihnen die Freude und Stärke im Herrn.

Beitrag, in dem Pfarrer Wagenführ aus seiner Zeit als Polizeiseelsorger erzählt

v.li:Landespolizeiseelsorger Michael Turbiasz (Nachfolger), Ulrich Matthias Spengler, Evangelischer Landespfarrer für Polizei- und Notfallseelsorge in Thüringen, Bischof Dr. Ulrich Neymeyr, Pfarrer Karl-Josef Wagenführ

Fotos: Martin Hoffmeier