Was Gottesfriedensbotschaft uns zuflüstert

Aufgrund des Anschlags auf dem Magdeburger Weihnachtsmarkt am 20.12.24 wurde dieser und das Gedenken an die Opfer von Bischof Neymeyr während seiner Predigt spontan thematisiert. Deshalb: Es gilt das gesprochene Wort!

Die Weihnachtsbotschaft der Engel ist in diesem Jahr kaum zu glauben: „Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lk 2,14) Wir hören von Kriegen in der Ukraine und im Nahen Osten. Wir erleben, dass Länder sich voneinander abschotten. Wir spüren tiefe Spaltungen in unserer Gesellschaft. Auch in der christlichen Ökumene und in unserer Kirche wird es schwerer, auf einem gemeinsamen Weg zu bleiben.

Mein Blick fällt in dieser Situation in diesem Jahr besonders auf die Hirten. Sie haben die Friedensbotschaft der Engel gehört. Der Evangelist Lukas berichtet von einem großen himmlischen Heer, das Gott lobte. Das muss doch ziemlich laut gewesen sein, aber offensichtlich haben nur die Hirten die Botschaft der himmlischen Heerscharen gehört. Was ist das Besondere an den Hirten?

Sie lagerten auf freiem Feld. Sie hatten kein Dach über dem Kopf, das den Blick auf den Himmel versperrt. Sie lebten in der Natur und mit der Natur – so wie die Schäfer heute auch. Sie sind hellhörig. Sie können keine Kopfhörer mit ihrer Lieblingsmusik hören. Sie müssen hinhören: Sind die Schafe ruhig? Ist ein Fuchs zu hören oder gar ein Wolf? Eine solche Hellhörigkeit der Ohren macht auch das Herz hellhörig. Die Hirten bei Betlehem waren hellhörig für die Friedensbotschaft Gottes, eine Botschaft, die vor Resignation bewahrt, die motiviert, dem Frieden zu dienen – in der kleinen Welt des persönlichen Lebens und in der großen Welt. 

Was war noch besonders an den Hirten? Sie waren nicht im Trubel Betlehems. Wegen der Volkszählung war die Stadt überfüllt, Verwandte trafen sich, erzählten, was sie erlebt hatten, feierten miteinander. Da war kein Platz für irgendwelche himmlischen Botschaften. Da mussten die Menschen den Tag bewältigen, den Anforderungen gerecht werden und auch Zeit füreinander haben. Auch ohne Smartphone mussten sie in Kommunikation bleiben mit möglichst vielen. Sie hatten allerdings nicht den Stress, noch ein Foto machen zu müssen, um es in den Status zu stellen. In solcher Besinnungslosigkeit kann man leise Hoffnungsworte nicht vernehmen, auch wenn sie von himmlischen Heerscharen kommen. Da kann man sich nicht in Ruhe der Botschaft widmen, dass wir Menschen Gottes Wohlgefallen haben und dass das unser Miteinander prägen kann.

Und noch etwas ist besonders an den Hirten: Sie waren arm. Mit dem Beruf des Hirten oder das Schäfers konnte man nie reich werden – auch heute nicht. Der Heilige Franziskus hat bewusst die Armut gelebt. Er wollte nur von dem leben, was die Menschen ihm gaben. Er wollte sich damit in ein existentielles Gottvertrauen einüben. In solch einer Haltung lebten die Hirten auf den Feldern von Betlehem vermutlich auch. In einem solchen Gottvertrauen fällt es leichter, Gott etwas zuzutrauen und nicht nachzulassen in der Hoffnung und im Gebet, das den Frieden von Gott erwartet und erfleht. So konnten die Hirten die Botschaft der Engel hören: „Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“

Der Heilige Franziskus hatte noch eine weitere Motivation für sein Leben in Armut. Er sagte: Wer etwas besitzt, braucht Waffen, um seinen Besitz zu verteidigen. Bewaffnet sind Hirten oder Schäfer nicht. Sie haben den Hirtenhund, der vor Gefahren warnt und – wenn es gut geht – den Wolf vertreibt. Wer unbewaffnet ist, hört die Friedensbotschaft der Engel und vertraut mit seinem ganzen Herzen darauf und er ist nicht erstaunt, dass der Retter, der Christus, der Herr als Kind in Windeln gewickelt in einer Krippe liegt.

So waren die Hirten hellhörig für die Friedensbotschaft der Engel. Mehr noch: Sie haben der Botschaft der Engel vertraut und sind losgelaufen: „Lasst uns nach Betlehem gehen, um das Ereignis zu sehen, das uns der Herr kundgetan hat!“ (Lk 2,15) sagten sie zueinander und gingen nach Bethlehem. Lukas schreibt sogar ‚Sie eilten hin‘. Sie wollten doch sehen, was der Engel ihnen gesagt hatte. Dafür ließen sie sogar ihre Schafe zurück und suchten in Betlehem das Kind in der Krippe. Man hört Psalm 35: „Suche Frieden und jage ihm nach!“ (Ps 34,15) Und so fanden sie Maria und Josef und das Kind, das in der Krippe lag. Vermutlich waren sie in einem Stall, der zu einer Herberge gehörte. Eigentlich war das nichts Spektakuläres. Sicher war es irgendwie berührend, dass für das Neugeborene kein Bettchen zu finden war, sondern nur eine Futterkrippe, aber immerhin war es trocken und warm. Aber die Hirten hatten die Botschaft des Engels im Ohr: „Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr.“ (Lk 2,11) Jetzt ahnten sie: Gott ist anders, als wir dachten. Er ist nicht im Tempel zu Hause und nicht in den Palästen, sondern in einem Stall, in unserem Hirtenleben. Und das ist die Friedensbotschaft Gottes: „Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ (Lk 2,14) Gott hat Wohlgefallen am Menschen, auch wenn er ein Baby ist, das in seine Windeln macht, auch wenn er ein einfacher armer Schafhirte ist, auch wenn es eine junge Mutter ist, die gerade ein Kind bekommen hat.

Und das konnten die Hirten nicht für sich behalten. Sie erzählten „von dem Wort, das ihnen über dieses Kind gesagt worden war. Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde.“ (Lk 2,17f.) So wurden die Hirten die ersten Verkünder des Weihnachtsevangeliums, die ersten Zeugen der göttlichen Friedensbotschaft. Sie waren hellhörig dafür. Sie gingen ihr auf den Grund und sie suchten den Frieden und fanden das Kind, das in Windeln gewickelt in einer Krippe lag.

Auch wir haben heute die göttliche Friedensbotschaft gehört. Sie gibt Trost zu allen Zeiten und sie flüstert uns zu: Suche den Frieden und jage ihm nach!