Das Heilige Jahr steht unter dem Leitwort „spes non confundit“, „Die Hoffnung lässt nicht zugrunde gehen.“ Hier wurde nicht zufällig ein Pauluswort ausgewählt. Vielmehr ist der Apostel Paulus auch ein großer Verkünder der Hoffnung. Die Hoffnung, von der Paulus spricht, ist fast immer die Hoffnung auf die Erlösung der Welt sowie auf die Auferstehung der Toten und das Ewige Leben. Das Heilige Jahr lädt alle ein, Pilger der Hoffnung zu sein. Grade am Hochfest der Auferstehung unseres Herrn Jesus Christus können wir darauf schauen, wie sehr unsere christliche Hoffnung eine Hoffnung auf die Vollendung der Welt und das Ewige Leben ist.
Der Apostel Paulus erlebte Ostern vor den Toren von Damaskus. Er war auf dem Weg nach Damaskus, um dort die Christen zu verfolgen. Da erschien ihm Christus und riss ihn vom hohen Ross. Nach dieser Apokalypse vor Damaskus zog sich Paulus 14 Jahre in seine Heimat zurück. Die lange und tiefe Meditation der Ostererfahrung drückt sich in seinen wichtigen und markanten Sätzen über die Auferstehung aus. „Wir wissen, dass der, welcher den Herrn auferweckt hat, auch uns mit Jesus auferwecken wird.“ (2 Kor 4,14) Es ist die Erfüllung der Verheißung des Herrn, dass er uns, wie es im Johannes-Evangelium heißt, zu sich holen wird, damit auch wir dort sind, wo er ist. (Joh 14, 3) Im Kolosserbrief, den wir in der Lesung gehört haben, schreibt Paulus kurz und prägnant: „Ihr seid mit Christus auferweckt.“ (Kol 3,1) Ostern blüht uns allen. Die Freude darüber erfüllt uns an diesem Osterfest von neuem. Das Ewige Leben bei Gott ist keine unendliche Langeweile. Paulus hat den auferstandenen Herrn Jesus Christus gesehen und kann sagen: „Für mich ist Christus das Leben und Sterben Gewinn.“ (Phil 1,21) „Ich sehne mich danach, aufzubrechen und bei Christus zu sein.“ (Phil 1,23)
Diese Hoffnung ist für Paulus verbunden mit der häufigen Erfahrungen der Widrigkeiten des Lebens auf seinen Missionsreisen, die er im zweiten Korintherbrief beschreibt: „Fünfmal erhielt ich von Juden die vierzig Hiebe weniger einen; dreimal wurde ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt, dreimal erlitt ich Schiffbruch, eine Nacht und einen Tag trieb ich auf hoher See. Ich war oft auf Reisen, gefährdet durch Flüsse, gefährdet durch Räuber, gefährdet durch das eigene Volk, gefährdet durch Heiden, gefährdet in der Stadt, gefährdet in der Wüste, gefährdet auf dem Meer, gefährdet durch falsche Brüder. Ich erduldete Mühsal und Plage, viele durchwachte Nächte, Hunger und Durst, häufiges Fasten, Kälte und Nacktheit.“ (2 Kor 11,24-27) Diese Erfahrungen klingen auch an in dem Abschnitt des Römerbriefs, dem das Leitwort des Heiligen Jahres entnommen ist: „Wir rühmen uns ebenso der Bedrängnisse; denn wir wissen: Bedrängnis bewirkt Geduld, Geduld aber Bewährung, Bewährung Hoffnung. Die Hoffnung aber lässt nicht zugrunde gehen; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ (Röm 5,3-5) Die österliche Hoffnung gibt die Kraft, auch Schweres durchzustehen. Zugleich sind schwere Erfahrungen Schulen der Geduld, einer Tugend die uns heutigen Menschen schwerfällt. In der Verkündigungsbulle für das Heilige Jahr schreibt Papst Franziskus: „Wir haben uns mittlerweile daran gewöhnt, alles sofort zu wollen, in einer Welt, in der Eile eine Konstante geworden ist. Man hat keine Zeit mehr, sich zu treffen, und selbst den Familien wird es oft schwierig, zusammenzukommen und in Ruhe miteinander zu reden. Die Geduld ist durch die Eile vertrieben worden und das fügt den Menschen großen Schaden zu.“ Paulus schreibt, dass Geduld Bewährung bewirkt. Wer wissen will, was sich bewährt, muss Geduld haben, um zu beurteilen, ob eine neue Idee auch eine gute Idee ist. Geduld und Bewährung bewirken Hoffnung. Zugleich motiviert die Hoffnung zu Geduld und Bewährung.
Paulus hat die Bedeutung von Ostern für uns Christen aber noch tiefer erfasst. Das österliche Leben, das wir von Jesus Christus erhoffen, ist nicht nur ewiges Leben nach dem Tod, sondern auch neues Leben vor dem Tod. Dieses neue Leben ist uns geschenkt durch die Taufe und wird erneuert durch die Sakramente, besonders durch das Sakrament der Buße und das Sakrament der Eucharistie. Im Römerbrief schreibt Paulus: „Wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir in der Neuheit des Lebens wandeln.“ (Röm 6,11) Im Kolosserbrief hieß es: „Euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott.“ (Kol 1,3) Ostern lädt uns ein, in der Neuheit des Lebens zu wandeln. Für Paulus bedeutet dieses neue Leben – er spricht auch von der neuen Schöpfung (2 Kor 5,17) – nicht eine schwärmerische Abgehobenheit einen Meter über der Realität des Lebens. Das neue Leben bedeutet für ihn vielmehr einen neuen Lebenswandel. Wir sollen in der Neuheit des Lebens wandeln. (Röm 6,11) Dies heißt für Paulus zunächst eine Absage an sündhaftes Verhalten: „So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus.“ (Röm 6,11) Paulus hat sehr konkrete Vorstellungen, wie dieses neue Leben aussieht. Im ersten Thessalonicherbrief ist eine kleine Aufstellung überliefert. Das neue Leben bedeutet: Unzucht meiden – im Griechischen steht das Wort porneia – Rechte nicht überschreiten, Brüder bei Geschäften nicht betrügen, sich um die eigenen Aufgaben kümmern. Diese Reihe lässt sich lange fortsetzen.
Paulus wusste, dass dieses neue Leben nicht einfach ist, weil es Widrigkeiten, Gemeinheiten, Sünden unter den Menschen gibt, nicht nur bei den anderen, sondern auch bei uns. Er nennt all dies „die Leiden der gegenwärtigen Zeit“ und schreibt im Römerbrief: „Ich bin nämlich überzeugt, dass die Leiden der gegenwärtigen Zeit nichts bedeuten im Vergleich zu der Herrlichkeit, die an uns offenbar werden soll. (…) Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber nicht nur das, sondern auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, auch wir seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. Denn auf Hoffnung hin sind wir gerettet. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Denn wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld. (Röm 8,18-15)