„Sie können ruhig schreiben: die Pfarrei ist glücklich“

Die große neugotische Kirche in Sömmerda ist an diesem Sonntag (4. August) gut gefüllt. „Es werden mehr Fremde sein als Sömmerdaer“, flüstern sich zwei ältere Damen in einer der vorderen Kirchbänke zu. Damit dürften sie Recht haben, denn an diesem Sonntag sind Gläubige aus allen Kirchorten gekommen, die zur Pfarrei St. Franziskus Sömmerda gehören. Für einige von ihnen bedeutet das einen Weg von 30 Kilometern und mehr. Die Pfarrei besteht neben Sömmerda aus den Kirchorten Greußen, Bad Frankenhausen, Artern, Roßleben, Heygendorf, Donndorf und Kölleda.

Der Grund, warum etliche Gläubige den längeren Weg an diesem Sonntag nicht scheuten, war ein besonderer. Bischof Ulrich Neymeyr beauftragte in einem festlichen Gottesdienst Diakon Martin Knauft mit der Leitung der Pfarrei St. Franziskus, die etwa zweieinhalbtausend Mitglieder zählt. Der gebürtige Eichsfelder Martin Kraft und verheiratete Vater von drei erwachsenen Kindern lebte viele Jahre mit seiner Familie in Münchenbernsdorf und war, wie er selbst sagt, im „ersten Leben“ Tischler und hatte eine lange Zeit im Kundendienst eines Möbelhauses gearbeitet. Sozusagen schon damals nah dran an den Menschen. Die Ausbildung zum Diakon führte ihn wieder ins Eichsfeld zurück, wo er auch nach seiner Weihe 2017 eingesetzt wurde.
Nach neun Jahren im Eichsfeld, so erzählt er, war in ihm auch der Wunsch nach Veränderung. Als die Anfrage kam, ob er sich vorstellen könne, als Pfarrbeauftragter tätig zu sein, bewarb er sich auf die Pfarrei. In den zwanzig Jahren, die er in Ostthüringen verbrachte, hat er erfahren, was Christsein in der Diaspora bedeutet. Dies wird ihm in seiner zukünftigen Arbeit zugutekommen.

Als Diakon darf Martin Knauft taufen und bei kirchlichen Eheschließungen assistieren. Der heiligen Messe darf er jedoch nicht vorstehen. Auch für das Spenden der Sakramente Beichte und Krankensalbung ist die Priesterweihe erforderlich. Aus diesem Grund steht dem Pfarrbeauftragten Knauft ein geistlicher Koordinator (moderierender Priester) zur Seite, nämlich der aus Hyderabad (Indien) stammende Jeevan Kumar Mayaluru. Dieser ist bereits seit 2021 in der Pfarrei St. Franziskus tätig.

Applaus, der an diesem Tag in der Kirche mehrmals erscholl, gab es nicht nur für den neuen Pfarrbeauftragten, sondern auch für Diakon Matthias Burkert. Er hatte sich bereiterklärt, für eine befristete Zeit die Aufgaben eines Pfarrbeauftragten in Sömmerda zu übernehmen. Fast unbemerkt, so der Pfarreiratsvorsitzende Sebastian Böning, trat er im Februar 2024 diesen Dienst an und setzte in den sechs Monaten seines Wirkens viele Impulse. Die Gemeinde und jeder Einzelne habe sich nach der Corona-Zeit erst wieder finden müssen, seinen Glauben, die Gemeinschaft, so Sebastian Böning weiter.  Durch Matthias Burkerts Offenheit und seine ihm immer wichtige Pflege der Kontakte untereinander habe er einiges in der Pfarrei bewirkt. Im letzten Pfarrbrief schrieb der scheidende Diakon: „Niemand hat damals gewusst, wie das werden wird, auch ich dachte zunächst, außer „Verwalten“ wird nicht viel sein. Ganz schnell haben Sie [die Gemeinde] mir aber deutlich gemacht, dass dies nicht alles sein kann, und so wurde daraus ein vorsichtiges „Gestalten“ und Setzen von einzelnen Akzenten.“

So „lautlos“ wie er gekommen war, ließ ihn die Gemeinde nicht gehen. Sie dankte ihm nicht nur mit einem Präsent, sondern auch mit kräftigem Applaus. Der Blumenstrauß allerdings war nicht für ihn, sondern für seine Frau, ohne deren Rückhalt die Arbeit eines verheirateten Diakons kaum möglich ist. Auch Bischof Neymeyr dankte in seiner Predigt ihm und seiner Frau herzlich für die Bereitschaft, befristet die Aufgabe zu übernehmen, die im Leben der Familie ja auch einiges durcheinandergebracht habe.  

Die Gemeinde erinnerte der Bischof daran, dass gerade beim Wechsel einer Leitung deutlich wird, „dass der Herr der Kirchengemeinde derselbe bleibt, unser Herr Jesus Christus. Jede Pfarrei und jeder Kirchort muss sich darum bemühen, wach zu bleiben für die Gegenwart Jesu Christi und dafür, wohin er seine Kirche führen möchte. Wenn die Verhältnisse sich ändern, wenn es nicht mehr die Möglichkeiten gibt, die es früher gab, wenn sich neue Herausforderungen stellen, so muss dies auch im Lichte dessen gesehen werden, dass der Herr Jesus Christus seine Kirche leitet. Es hilft dann nicht, immer zurückzuschauen und von früheren Zeiten zu schwärmen. Man kann ein Auto nicht fahren, wenn man nur in den Rückspiegel schaut.“

Die Pfarrei in Sömmerda hat sich auf etwas Neues eingelassen. Sie ist damit die dritte Pfarrei im Bistum Erfurt, die nicht von einem Priester geleitet wird. Und wie empfindet diese Konstellation die Gemeinde? Deren spontane Antwort: „Sie können ruhig schreiben: die Pfarrei ist glücklich“