Liturgisches Gewand stellt einen nicht höher

Liturgische Gewänder sind ein fester Bestandteil der römisch-katholischen Liturgie. Dennoch wird selten etwas darüber gesagt. Kommunionhelferinnen und Kommunionhelfer fragen sich, ob sie ein liturgisches Gewand anlegen sollen, eine Frage, die auch Schola- oder Chorsängerinnen und -sänger diskutieren. Auch Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten haben unterschiedliche Meinungen zu der Frage, ob sie beim liturgischen Dienst ein besonderes Gewand tragen sollen, und wenn ja, welches. Immerhin sind all diese Dienste durch eine Sendung oder Beauftragung durch den Bischof oder den Pfarrer besonders hervorgehoben. Priester und Diakone diskutieren hin und wieder über die richtige liturgische Farbe. In der Missa chrismatis nehmen nicht alle Priester die Einladung an, in Albe und Stola zu konzelebrieren. Manche feiern den Gottesdienst lieber in ihrer Alltagskleidung mit.

Liturgische Gewänder sind zunächst ein Ausdruck dafür, dass jemand im Gottesdienst eine besondere Aufgabe hat. Es gibt auch Küster, die bei ihrem Dienst einen Talar tragen. Auch Ministrantinnen und Ministranten sind durch eine eigene Kleidung kenntlich gemacht. Solch eine Dienstkleidung ist natürlich nicht nur im Gottesdienst üblich. Mitunter kann man sie vermissen, wenn man etwa im Warenhaus jemanden fragt, ob er einen bedienen würde, und feststellt, dass er auch nur ein Kunde ist.

Liturgische Gewänder sind natürlich nicht nur eine x-beliebige Dienstkleidung. Sie heben auch die Würde des Gottesdienstes hervor und die Würde des Dienstes oder des Amtes, das die so gekleidete Person ausübt. Die Robe eines Richters macht ja auch deutlich, dass hier nicht nur ein Jurist etwas sagt, sondern ein Richter im Namen des Volkes ein Urteil spricht. So haben liturgische Gewänder durchaus ihre Berechtigung und Bedeutung und es gilt allen ein herzliches Vergelt‘s Gott, die liturgische Gewänder pflegen oder auch die Anschaffung neuer Gewänder finanzieren und so zur Würde des Gottesdienstes beitragen. Es muss an dieser Stelle aber auch darauf hingewiesen werden, dass es eine Kirche gibt, die sich sehr bewusst als apostolische Kirche versteht und keine liturgischen Gewänder kennt, nämlich die neuapostolische Kirche. Ich habe im Jahr 2018 an der Ordination des neuen Apostels für Sachsen und Thüringen, Ralph Wittich, durch den Stammapostel Jean-Luc Schneider teilgenommen. Der Gottesdienst war sehr festlich. Die Liturgen trugen aber einen Anzug. Auch das frühe Christentum kannte keine liturgische Sonderkleidung für die sonntägliche Herrenmahlfeier.

Die Skepsis ist durchaus berechtigt. Denn die liturgischen Gewänder, die so schön die Feierlichkeit des Gottesdienstes unterstreichen, bergen eine große Gefahr – und zwar für denjenigen, der die liturgischen Gewänder trägt. Es ist die Gefahr, zu vergessen, dass man zwar einen hervorgehobenen liturgischen Dienst wahrnimmt oder ein bevollmächtigtes Amt ausübt, dass man dadurch aber nicht als Person über die Mitfeiernden erhoben wird. In der vorkonziliaren Liturgie wurde dieser Gefahr begegnet, indem der Priester beim Anliegen der Gewänder verschiedene Gebete gesprochen hat, die im bewusst gemacht haben, dass er jetzt eine sehr besondere Aufgabe wahrnimmt, die ihm von Christus anvertraut wird und die mit dem Ablegen der Gewänder wieder endet. Im Internet habe ich solche Ankleidegebete auch für die erneuerte Liturgie gefunden auf der Homepage der Pfarreiengemeinschaft Teichnachtal im Bistum Regensburg. Da heißt es etwa beim Anziehen der Albe: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt.“ (Gal 3, 27) und beim Anlegen des Zingulums: „Legt euren Gürtel nicht ab, und lasst eure Lampen brennen! Seid wie Menschen, die auf die Rückkehr ihres Herrn warten, der auf einer Hochzeit ist, und die ihm öffnen, sobald er kommt und anklopft.“ (Lk 12,35-36) Zur Stola wird gebetet: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin gütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seele. Denn mein Joch drückt nicht, und meine Last ist leicht.“ (Mt 11,29-30)

Ich möchte gerne noch einen weiteren Impuls geben zur rechten Einstellung gegenüber liturgischen Gewändern durch die einfache Frage, was eigentlich die Evangelien über die Gewänder Jesu berichten. Wenn man danach fragt, stößt man auf Texte, die uns in den kommenden Tagen in der Liturgie begegnen. Vermutlich denken Sie jetzt auch an die Karfreitagsszene: „Nachdem die Soldaten Jesus ans Kreuz geschla¬gen hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile daraus, für jeden Soldaten einen. Sie nahmen auch sein Untergewand, dass von oben her ganz durchgewebt und ohne Naht war. Sie sagten zueinander, wir wollen es nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte sich das Schriftwort erfüllen: Sie verteilten meine Kleider unter sich und warfen das Los um mein Gewand. Dies führten die Soldaten aus“. (Joh 19, 23-24) Dieses Gewand wird in Trier als der Heilige Rock verehrt. Es war das Gewand, das Jesus getragen hat, das die Menschen berühren wollten, damit sie geheilt werden, und es wurde der Henkerslohn, den Jesus für seine Hinrichtung bezahlen musste. Der Henker muss bezahlt werden. Die Kosten für die Hinrichtung des Delinquenten wurden und werden den Angehörigen in Rechnung gestellt. Wie heißt es beim neue Ankleidegebet zur Albe: „Ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus als Gewand angelegt.“ (Gal 3, 27) Jesus konnte nur mit seinem Gewand bezahlen. Am Kreuz war er nackt. Der Maler Michael Triegel hat das auch so gemalt.

Und noch an einer anderen Stelle in der Liturgie der Heiligen Woche ist von einem Gewand Jesu die Rede: „Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war.“ (Joh 13,3-5) Das Gewand, das Jesus sich anlegt, ist eine Schürze, eine Arbeitsschürze für eine der niedrigsten Arbeiten, die es zu seiner Zeit zu verrichten gab. Das zwingt jeden, der im Gottesdienst eine auch durch die liturgische Kleidung hervorgehobene Stellung einnimmt zur Demut und zur Bereitschaft, die Aufgaben zu übernehmen, die keiner übernehmen will.

Diese Predigt hielt Bischof Neymeyr auch beim Gesamttreffen der Diakonats- und Kommunionhelferinnen und -helfer am 12.04.2025.

 

Die heutige Ölweihmesse in Wort und Bild